Rüstungsindustrie soll als „nachhaltig“ klassifiziert werden – Blutgeld bleibt trotzdem Blutgeld

Geschrieben am 18.09.2024
von Redaktion

Die Rüstungsindustrie steht kurz vor der Heiligsprechung: Sie soll als „nachhaltig“ gelten. Und die europäische Wertpapieraufsicht ESMA hat längst grünes Licht gegeben. Blutgeld für die Gesellschaft? Abgesegnet von ganz oben? Mit gutem Gewissen Geld aus dem Kriegsgeschäft erhalten, weil: nachhaltig? Willkommen im „wertegerechten“ Handel mit dem Krieg. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

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Das „Image von Rüstungsunternehmen“ hat sich schließlich „verändert“. Und „viele Menschen sehen die Branche hierzulande als etwas Positives“. So ist es auf der Webseite des Nachrichtensenders ntv zu lesen. Hintergrund: Fonds-Anbieter wollen die Rüstungsindustrie in ihre Nachhaltigkeitsfonds aufnehmen. Ja, Sie lesen richtig, das ist kein Witz.

Der Wertezerfall im Wertewesten ist evident. Auf den Altären der Lügen und der Propaganda verbrennen jene hehren Standards, für die die feinen Demokratien unserer Zeit stehen sollen – schneller, als die Hände der Propagandisten dabei klatschen können. Seit geraumer Zeit ist zu beobachten, wie hierzulande der Krieg enttabuisiert wird. Morden auf dem Schlachtfeld? Völlig in Ordnung – zumindest, wenn die „Guten“ gegen die „Bösen“ kämpfen. Die „Guten“, das sind selbstredend „wir“.

Der „Nachrichtensender“ vermeldet nun:

„Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat das Image von Rüstungsunternehmen verändert. Viele Menschen sehen die Branche hierzulande als etwas Positives. Ein Investment in Waffenschmieden könnte auch in Deutschland bald als nachhaltig eingestuft werden.“

So stehen die Aussagen da. Im gesamten Text findet sich keine kritische Einordnung oder Distanzierung. Woher der Sender „weiß“, dass „viele Menschen“ die Rüstungsbranche in Deutschland als etwas „Positives“ sehen, bleibt sein Geheimnis – genauso wie die Aussage, dass der „russische Angriffskrieg“ das Image des Kriegsgeschäftes „verändert“ habe. Wie viele Bürger Deutschlands sind „viele“? Was heißt, das Image habe sich verändert? Offensichtlich zum Positiven hin. Aber bei wem? Bei den Kriegstreibern unserer Zeit? Aber vor allem: Ein Image verändert sich nicht, sondern es wird verändert; nämlich in diesem Fall von jenen, die ein Interesse daran haben, den Krieg in der Ukraine eindimensional zu zeichnen und Deutschland auf Konfrontationskurs mit Russland trimmen zu wollen. Ein Weg zur Imageveränderung könnte etwa sein, die Rüstungsindustrie als Sponsor in ein großes Fußballstadion zu führen. Borussia Dortmund zeigt, wie es geht (siehe „Echte Liebe für blutiges Geld“).

Oder aber: Was wäre, wenn jene Industrie, die ihr Geld mit dem Bau von todbringenden Waffen verdient, als „nachhaltig“ klassifiziert gelte? Würde ein solcher Schritt das Image dieser Branche verbessern?

Blutgeld anzunehmen – das ist öffentlich eher noch verpönt. Aber sein Vermögen zu mehren, indem in „Nachhaltigkeit“ investiert wird? Das hört sich schon ganz anders an. Nachhaltig – dieser Begriff steht in unserer Gesellschaft für Umweltschutz, für einen sorgsamen Umgang mit den Ressourcen dieses Planeten. Nachhaltigkeit steht für Rücksicht, für Fairness und den Aufbau einer lebenswerten Zukunft für uns alle.

Deutsche Banken- und Fondsverbände „wollen künftig nachhaltigen Anlageprodukten nicht mehr verbieten, in Rüstungsunternehmen zu investieren“, heißt es bei ntv. Zwar sollten völkerrechtlich geächtete Waffen auch weiterhin für Investoren ausgeschlossen bleiben, aber die deutsche Kreditwirtschaft hat offensichtlich ansonsten kein Problem mit der Rüstungsindustrie. Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA erlaube, so ntv, „mittlerweile, Rüstungshersteller als nachhaltig zu klassifizieren“.

„Seit dem Überfall auf die Ukraine gibt es eine Debatte über die gesellschaftliche Bedeutung von Verteidigung und Rüstung. Wir möchten diese Debatte auch den Fondsmanagern und Anlegern ermöglichen”, zitiert ntv Magdalena Kuper vom Deutschen Fondsverband BVI.

Das klingt alles so schön, so weichgezeichnet. Was offensichtlich nicht erkannt wird: Egal wie geschliffen die Worte auch sein mögen, Blutgeld der Rüstungsindustrie bleibt Blutgeld.

Titelbild: Dabarti CGI / Shutterstock