Völkerrechtsbruch? Deutsches Unternehmen Lubeca Marine transportiert RDX-Sprengstoff nach Israel

Geschrieben am 16.09.2024
von Florian Warweg

Das Lübecker Unternehmen Lubeca-Marine ist Eigentümer des Frachters MV Kathrin, der derzeit Container mit RDX- und TNT-Sprengstoff transportiert. Endbestimmungsort ist Israels größtes Militärunternehmen, Elbit Systems. RDX-Sprengstoff ist eine Schlüsselkomponente für die Produktion von Fliegerbomben, Granaten und Raketen, die seit Oktober 2023 vornehmlich gegen die Zivilbevölkerung in Gaza eingesetzt werden. Namibia hatte Ende August mit Verweis auf die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Bezug auf Israels Agieren in Gaza und Westbank und die daraus folgenden völkerrechtlichen Konsequenzen ein Andocken in allen namibischen Häfen untersagt. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung die Einschätzung der namibischen Behörden teilt, dass der Transport der Sprengstoffe gegen Völkerrecht verstößt. Von Florian Warweg.

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Hintergrund

Laut einem Schreiben, das den NachDenkSeiten vorliegt, wies der Generalinspekteur der namibischen Polizei, Generalleutnant Joseph Shikongo, am 24. August die Hafenbehörden von Walvis Bay, dem größten Überseehafen Namibias, an, die am 13. August unter der Genehmigungsnummer 21/2024 erteilte Genehmigung für das Schiff MV Kathrin zu widerrufen:

„Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die dem Schiff MV Kathrin erteilte Genehmigung Nr. 21/2024 vom 13. August mit sofortiger Wirkung widerrufen wurde. Daher ist es dem genannten Schiff gemäß Kabinettsbeschluss Nr. 9.04, 06.24/006 strengstens untersagt, in die Gewässer Namibias einzufahren.“

Diese Entscheidung folgte auf die Entdeckung, dass die an Bord befindlichen acht Container mit RDX-Hexogen-Sprengstoff für Israel bestimmt waren – konkret für Israels größten Rüstungskonzern, Elbit Systems. Das Unternehmen gilt als derzeit größtes israelisches Militärunternehmen und einer der weltweit größten Verbraucher von RDX-Sprengstoffen. Elbit Systems produziert unter anderem Kampfdrohnen sowie die für den Einsatz im Städtekampf entwickelte Mörsergranate „Iron Sting“, die nachweislich seit Oktober 2023 in Gaza und Libanon eingesetzt wurde.

Namibia argumentiert mit „israelischen Kriegsverbrechen und Völkermord“

Der namibische Justizminister begründete die Verweigerung des Hafenzugangs damit, dass „Namibia seiner Verpflichtung nachkommt, israelische Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord sowie die rechtswidrige Besetzung Palästinas nicht zu unterstützen oder sich daran mitschuldig zu machen“.

Die namibische Regierung verwies zudem auf die Resolution des UN-Menschenrechtsrats vom 5. April 2024, welche ein Waffenembargo gegen Israel forderte. Die Resolution war mit großer Mehrheit angenommen worden. Lediglich die USA, Deutschland und vier weitere Staaten hatten dagegen gestimmt:

Der deutsche UN-Vertreter begründete das damalige Nein der Bundesregierung unter anderem mit den „voreingenommenen“ Behauptungen des Resolutionsentwurfs, der Israel beschuldigte, Apartheid, kollektive Bestrafungen, gezielte Bekämpfung der palästinensischen Zivilbevölkerung sowie Anwendung von Hunger als Kriegswaffe zu betreiben.

Bundesregierung in der Verantwortung

Es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung als schlussendliche Aufsichtsbehörde, Unternehmen, die wie Lubeca Marine in Deutschland registriert sind und dort auch ihren Hauptsitz haben, bei Nicht-Einhaltung von internationalem und deutschem Recht zur Rechenschaft zu ziehen. Deutschland ist bereits vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt, weil es seinen Verpflichtungen angesichts der völkerrechtlichen Verstöße des Staates Israel mutmaßlich nicht nachgekommen ist. Eine Untätigkeit im vorliegenden Fall wird die Vorwürfe nochmals verstärken und Deutschlands Ruf im Globalen Süden, gerade im südlichen Afrika und im Nahen Osten, noch weiter schädigen.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 11. September 2024

Frage Warweg

Das Lübecker Unternehmen Lubeca Marine ist Eigentümer des Frachters MV Kathrin, der derzeit acht Container mit RDX-Sprengstoff sowie 60 Container mit TNT transportiert. Endbestimmungsort ist Israel, genauer gesagt das größte israelische Militärunternehmen Elbit Systems. RDX-Sprengstoff ist ein Kernelement für die Produktion von Fliegerbomben und Raketen. Jetzt hat Namibia mit Verweis auf die völkerrechtliche Lage und die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Bezug auf Israels agierenden Gaza und Westbank ein Andocken an allen namibischen Häfen untersagt.

Da würde mich interessieren: Wie bewertet die Bundesregierung als schlussendliche Aufsichtsbehörde das Agieren des Unternehmens? Schließt sie sich der Einschätzung der namibischen Behörden an, dass der Transport der besagten Sprengstoffe an Israel gegen die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs und damit gegen Völkerrecht verstößt?

Vorsitzende Buschow

An welches Ressort richtet sich die Frage?

Zusatz Warweg

An das Auswärtige Amt und im Zweifel an das Wirtschaftsministerium. ‑ Ich denke, das Auswärtige Amt wird auf jeden Fall etwas dazu sagen können.

Wagner (AA)

Herr Warweg, die Detailschärfe Ihrer Frage, die Sie gerade gestellt haben, ist dergestalt, dass ich mich erst einmal schlaumachen müsste, weil mir dieser Vorgang jetzt nichts sagt. Ich kann Ihnen aber vielleicht noch einmal allgemein sagen, unbeschadet dessen, was Sie jetzt in Ihrer Frage aufwerfen, weil ich noch nicht einmal wüsste, ob Sprengstofftransporte, die über Deutschland laufen, sozusagen irgendwie der Rüstungskontrolle ‑ ‑ ‑ Aber, dies einmal dargestellt, dazu liefern wir noch etwas nach.

Aber Sie wissen ja, dass unsere Rüstungsexportpolitik nationalen, internationalen und europäischen Regeln unterliegt und dass im Einzelfall immer streng geprüft wird, dass Deutschland bei diesen Geschichten natürlich seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält. Aber, wie noch einmal gesagt, dieser Einzelvorgang sagt mir jetzt nichts. Deshalb müssten wir da im Zweifel noch einmal etwas nachliefern.

Zusatzfrage Warweg

Ich habe noch einmal eine grundsätzliche Nachfrage. Vielleicht hatte ich es auch missverständlich geäußert. Es geht also nicht darum, dass das deutsche Produkte sind. Aber das ist ein deutsches Unternehmen, registriert und mit Hauptsitz in Deutschland, das diese Transporte übernimmt. Das geht dann von Vietnam bis nach Israel. Deswegen habe ich die Frage, ob die Bundesregierung es grundsätzlich ‑ die Namibier haben auch so argumentiert ‑ als einen Bruch des Völkerrechts ansieht, wenn ein deutsches Unternehmen Kernelemente für Raketen und die Bombenproduktion in Israel liefert. Es geht also sozusagen um den Transportweg. Ein deutsches Unternehmen liefert. Das könnte man ja beantworten.

Wagner (AA)

Herr Warweg, Ihr Nachlegen zeigt ja, dass die Frage offensichtlich nicht ganz einfach ist. Deshalb würde ich mich gerne einmal mit dem Sachverhalt vertraut machen. Wenn wir darauf etwas antworten können, dann werden wir das gerne nachliefern.

Anmerkung der Redaktion: Trotz mehrmaliger Nachfrage (auf der BPK und schriftlich) hat das Auswärtige Amt uns bisher nicht die angesprochene „Nachreichung“ zukommen lassen.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 11.09.2024