Mein Name ist ach mein Name tut eigentlich gar nichts zur Sache. Ich bin freier, investigativer Journalist und recherchiere für bekannte populärwissenschaftliche Zeitschriften. Und ja, ich kann durchaus zurecht von mir behaupten, dass ich im Laufe der vielen Jahre einen gewissen guten Ruf in Fachkreisen erlangt habe.
Und vielleicht habe ich's ja eben diesem guten Ruf zu verdanken, dass es eines Tages unvermittelt an meiner Wohnungstür klopfte. Ich muss der geneigten Leserschaft erklären, dass ich in modernen, aber dennoch bescheidenen Verhältnissen einer Neubauwohnung lebe. Als Journalist kann man da keine großen Sprünge machen.
Aber zurück zu meiner Wohnungstür und der davor wartenden größten Geschichte die ich in meinem ganzen Leben erleben durfte. Und ich habe viel erlebt. Ich habe die Hochebenen von Peru bereist, bin über die Nasqarlinen geflogen, habe die chinesische Mauer zu Fuß beschritten, die großen Pyramiden von Gizeh des Nachts ergründet, man sagt, dann wären die Geiste der Pharaonen aktiver.
Aber nun das Klopfen wurde lauter. Meine Damen und Herren, es gibt verschiedene Arten von Klopfen, zaghaft und zögerlich, voller Bescheidenheit und ängstlich dabei und dann gibt es eben genau dieses Klopfen, beherrschend, vehement, fordert und voller Ungeduld.
Ich bin ja schon da. Sie müssen nicht gleich die Tür eintreten. Etwas genervt öffnete ich meine Wohnungstür und was ich sah verschlug mir die Sprache. Dieses unscheinbare ja gerade so groteske Männchen kann so laut klopfen?
Es gibt Menschen, die einem auf Anhieb unsympathisch sind. Ohne genau sagen zu können, warum, aber diese Person dort übertraf alle meine bisherigen Erfahrungen und Begegnungen.
Ein Meter sechzig maximal, gebeugt und die linke Schulter leicht hängt, die schütternden Haare über die schuppige Kopfhaut geborgt. Mit fistliger Stimme begann er sogleich an zu sprechen.
Es glich eher einem meckern und ich hatte irgendwie die gesamte Zeit das Bild vom Ziegen im Kopf. Ohne mich dabei ansehen zu können war sein Blick stets auf den Boden gerichtet.
Lassen Sie mich schon rein. Es geht um Leben und Tod und ich habe weder die Zeit, noch die Lust auf Plattitüden. Während er sprach, schob er sich schon an mir vorbei und wieselte durch meine Wohnung. Ich blieb verdutzt an der Tür stehen.
Sie sind meine letzte Hoffnung. Er blieb unvermittelt stehen und sah mir direkt in die Augen. Keiner will mir glauben, alles nur Banausen und unterbelichtete Analphabeten. Dabei verzog er sein Gesicht zu einer Grimasse, als würde er tatsächlich körperliche Qualen bei dem Gedanken an seine Widersacher erleiden.
Aber entschuldigen Sie, ich habe mich doch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Professor Brabra. Er fing plötzlich so stark an zu nuscheln, dass ich seinen Namen nicht verstehen konnte. Ich muss auch gestehen, dass ich nicht mehr nachfragte. Zum einen, weil ich gar nicht so wirklich zu Wort kam und zum anderen, weil er mir jetzt schon auf die Nerven ging.
Wieder so ein Verrückter. Das fehlte mir heute noch. Muss ich doch dringend zur Reinigung meine Anzüge abholen. Heute Abend ist doch die große Gala und da musste ich auch erstmal hinkommen. Mein Auto war damals ständig in der Werkstatt, ein russisches Modell, wenn Sie verstehen. Also kurz und gut. Ich hatte wirklich keine Zeit für irgendwelche verrückten Professoren. Das alles schoss mir durch den Kopf, während er weiter meckernd vor sich hinredete.
Sie sind ja Journalist und ein recht erfolgreicher dazu. Dabei musterte er mich abschätzen von Kopf bis Fuß, wohl abwiegend, ob ich wirklich der wäre, als den man mich empfohlen hätte.Offenkundig zufrieden von dem Ergebnis seiner Musterung ging sein Monolog weiter.
Ich habe das einzige und wahre Perpetuum mobile erfunden. Sie wissen doch, was das ist?
Für alle Zeit beweglich, so die sinngemäße Übersetzung aus dem Lateinischen. Es soll eine Maschine sein, die einmal in Gang gebracht für immer läuft, ohne weitere Energiezufuhr von außen. Natürlich wusste ich das und ich wusste auch, dass es so etwas nicht geben kann. Physikalisch völlig unmöglich.
Aber zum Antworten kam ich nicht, denn der verrückte Professor redete schon weiter. Ich kann es ihnen ohnehin nicht erklären, mit Verlaub, dazu reicht ihre Intelligenz nicht aus. Ich habe es mitgebracht und möchte, dass sie es für mich verwahren.
Er zogeinen kleinen Gegenstand aus seiner Manteltasche. Ich muss noch erwähnen, dass es den ganzen Tag in Strömen geregnet, ach was geschüttet hatte, sein Mantel entsprechend nass war, der nun mein Wohnzimmerteppich volltropfte.
Der Gegenstand war ein kleines Kästchen aus Acrylglas wie mir schien. Nicht größer als einer dieser Spielwürfel, die man immer so verdrehen muss, bis alle Seiten gleich sind. Sie wissen doch, was ich meine, oder? Diese Größe etwa hatte auch sein Würfel nur durchsichtig.
Im Inneren jedoch schwebte ein Ring aus einem schwarzschimmernden, mir unbekannten Material. Dieser Ring drehte sich beständig um sich selbst.
Ich übergebe ihnen hiermit das einzig existierende und von mir geschaffene Exemplar eines wahrhaftigen Perpetuum Mobile und ich möchte Sie bitten es für mich zu verwahren.
Er gab es mir mit leicht zitternden Händen. Verwahren Sie es gut, ich kann leider nichts damit anfangen. Niemand glaubt mir, während er das sagte, dreht er sich um und verließ ohne eines weiteren Wortes meine kleine Wohnung.
Ließ er mich mitten im Wohnzimmer stehen mit dem Acrylwürfel in der Hand. Hm, was soll ich davon halten? Neugierig betrachte ich es etwas genauer. Der Ring im Inneren dreht seine Kreise und nichts deutete auf irgendein Mechanismus hin.
Na ja, so spektakulär ist es ja nun auch nicht, dachte ich mir und stellte ihn in die Anbauwand, die die gesamte Länge einer der Wohnzimmerwände in Anspruch nahm. Dabei fiel mein Blick auf ein anderes Kästchen, das ich doch mal abgestellt hatte.
So groß und ähnlich flach wie ein Handy, tiefschwarz und scheinbar aus einem Stück gegossen, denn es wies keinerlei Spuren von Nähten, Schrauben oder Nieten auf. Da hatte ich vor Jahren auch schon mal Besuch von einem ähnlich mysteriösen Fremden.
Dieser andere Fremde hatte damals behauptet, dass er in eben dieses Kästchen seine unsterbliche Seele transferiert hatte, um einen Beweis für die Erfindung der Unsterblichkeit zu führen. Angeblich hätte es aus einem unzerstörbaren Material gefertigt und dort seine unsterbliche Seele hineingetan. Wie? Das wollte er mir natürlich nichts sagen.
Ich hatte diese Begegnung schon längst vergessen und wurde nur durch dieses angebliche Perpetuum mobile wieder daran erinnert.
Ab damit in die Kuriositäten-Ecke dachte ich bei mir und stellte es gleich neben die unsterbliche Seele. Noch ein weiterer verrückter Spinner, der seinen Unsinn bei mir ablegt.
So werte Leserschaft hat diese Begegnung stattgefunden und die Geschichte wäre damit auch zu Ende.
Nur ab und zu kann ich meine Neugierde nicht zügeln und nehme den Acrylwürfel von seinen angestammten Platz. Um ihn mal wieder zu betrachten.
Nun ja, der Ring im Inneren dreht sich immer noch.
Und manchmal wenn es ganz ruhig ist, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren ein leichtes Seufzen zu hören. Ein kaum hörbares, tieftrauriges Seufzen. Es kommt irgendwie aus Richtung der Anbauwand.
Ich weiß nur nicht woher genau.