Nachdem man ein Feld überquert hat

Geschrieben am 07.11.2023
von Alexander Beer

(Eine Weiterführung der weltberühmten Kurzgeschichte "Die Schwierigkeit ein Feld zu überqueren" von Ambrose Bierce)

 

„Hey Greg willst ein Bier?“

Es war ein verregneter trüber und überaus trostloser Novembertag. Hier auf dem Schrottplatz war wie immer nichts los. Und so trüb und fahl der Tag war, so sah auch Greg aus. Nicht das ihn das sonderlich störte. Schließlich sah er schon immer so aus. Irgendwie schon immer. Jedenfalls solange er sich erinnern konnte.

Der Tag, der Schrottplatz, seine Laune und er selbst, grau, trüb, trostlos, leer.

„Hey Greg willst ein Bier?“

Wer wie was? Besuch? Bier?

„Ja klar!“ Und nach kurzem Besinnen … „Wer ist da?“

Wer fragt hier nach Bier? Hier verirrt sich doch niemand her. Hier auf den Schrottplatz. Auf seinen Schrottplatz. Obwohl das so auch nicht stimmte. Sein Schrottplatz war das nicht. Der war einfach da und Greg ist eingezogen. In die kleine Holzhütte, die fast zentral auf dem zugerümpelten Platz stand. Damals. Vor Jahren. Vor so vielen Jahren, dass er vergessen hatte, wie viele es wohl sein könnten.

Jedenfalls lebt er jetzt immer noch hier. Jetzt, also November 2023.

Telefon, Internet … so etwas gibt es hier nicht und er vermisst es auch nicht. Wasser hat er. Der Brunnen mit der kleinen Schlegelpumpe liefert treu und bedingungslos sein Wasser. Wartungsfrei würde man sagen. Oder nachhaltig? Keine Ahnung. Greg interessiert sich nicht für solche Wortspiele.

Strom, ja Strom hat er auch.

Der ist immer da. Irgendwie und irgendwoher. Obwohl … Greg weiß schon, wo der herkommt. Aus dieser Kiste da unterm primitiven Holztisch in der Hütte. Da kommt der Strom her. Immer ist der da. Und reicht auch, egal was er dort anschließt. Aber so viel zum Anschließen hat er ja nicht. Der Fernseher ist schon lange kaputt und die Kaffeemaschine benutzt er nicht mehr, seitdem ihm der Kaffeevorrat ausgegangen ist. Bleibt nur die 40 Watt Glühlampe, die nackt und einsam in ihrer Fassung an der Decke baumelt. Wenn die mal kaputtgeht, dann braucht er die Kiste wohl auch nicht mehr.

„Was ist denn nun mit dem Bier? Bist Du da?“

Klar ist Greg da, wo soll er sonst sein? Blöde Frage brummelt er mehr zu sich, als zu seinem Gast, der gerade den schmalen krummen Weg hochkommt, als Greg aus der Hütte tritt.

„Ach da bist Du ja. Sitzt Du auf deinen Ohren? Guck mal was ich mitgebracht hab.“ Breit grinsend steht sein Besucher da und streckt ihm fast schon feierlich ein Sixpack hin.

Greg kennt ihn nicht, aber er wundert sich auch nicht. Das hat er sich schon vor langer Zeit abgewöhnt. Ab und zu tauchen so Typen auf, unterhalten sich mit ihm, bevor sie wieder verschwinden und hin und wieder hat auch einer was mit dabei. Wie jetzt auch sein neuerlicher Gast. Komisch denkt Greg bei sich, es sind immer nur Männer. Mhm, naja auch egal. Der hier hat jedenfalls Bier mitgebracht. Und das kann ja nicht schaden.

„Greg sag mal, wie lange bist du eigentlich schon hier?“ Sein Gast sieht sich bei dieser Frage abschätzend in der Gegend um, während er ploppend das erste Bier öffnet. Einen Öffner hat er wohl mitgebracht. Prima muss Greg anerkennend zugeben.

Ohne eine Antwort abzuwarten, redet sein Besucher weiter. „Weißt Du noch Greg, damals 1854 als wir versuchten deine Pferdeweide zu überqueren? Groß war die Weide ja nicht gerade. So um die 10 Hektar. Eben und ohne Baum, Felsen oder irgendein natürliches oder künstliches Objekt auf der Oberfläche. Da gab es noch nicht einmal ein Haustier auf dem Feld. In Salma war das, in Alabama. Das musst Du doch noch wissen Greg!

Verschwunden bist Du damals. Einfach so. Vor meinen Augen. Alle haben mich gefragt was da passiert wäre. »Er ist fort, er ist fort! O Gott! Was für eine schreckliche Sache!« rief Mrs. Williamson, Deine Frau Greg ... äh also damals meine ich ... , nun ja das rief sie jedenfalls immerfort in großer Aufregung und viele andere Sachen, an die ich mich nicht mehr so genau erinnere. Naja, ist ja auch ne verdammt lange Zeit her das Ganze.

Und jetzt bist Du hier Greg und wir trinken Bier zusammen. Hier hast Du noch eins. Siehst ja schon ganz vertrocknet aus.

Weißt Du Greg, wenn ich so darüber nachdenke, ist es mir eigentlich auch ganz egal was damals passiert ist oder wie Du hierhergekommen bist. Ich weiß nur das ich gerne bei Dir bin. Hier ist es so schön friedlich. Warst Du die letzte Zeit mal draußen? Also draußen in der Welt meine ich?

Natürlich nicht. Geht ja nicht. Was rede ich da nur wieder für einen Unsinn. Aber sei nur froh, dass Du da nicht raus musst. Bleib hier Greg. Bleib hier auf deinem Schrottplatz. Bei Deinem Bier und Deiner Kiste. Vergiss die da draußen, die sich Menschen nennen. Vergiss sie einfach. Is besser so, glaube mir Greg.“